David Tudor war ein amerikanischer Pianist und Elektronik-Klangkünstler, der im 20. Jahrhundert zu einem der bedeutendsten Interpreten und Pioniere der elektronischen Musik avancierte. Geboren am 20. Januar 1926 in Philadelphia, Pennsylvania, begann Tudor bereits im Alter von vier Jahren mit dem Klavierspiel. Später studierte er am Philadelphia Conservatory sowie am Peabody Conservatory in Baltimore. 1947 zog er nach New York, wo er sich der experimentellen Musikszene anschloss und in Kontakt mit Größen wie John Cage, Merce Cunningham und Earle Brown kam.

In den frühen 1950er Jahren spielte Tudor Klavierwerke von Komponisten wie Cage und Morton Feldman, wodurch er schnelle Bekanntheit für seine exzellente Interpretation von avantgardistischer Musik erlangte. Später begann Tudor sich für die Möglichkeiten des Einsatzes von elektronischen Geräten und Computern als Instrumente zu interessieren. Er arbeitete eng mit Cage, als Mitglied der Merce Cunningham Dance Company (MCDC), sowie in Cages Project of Music for Electronic Tape an der Entwicklung neuer elektronischer und experimenteller Musikformen. Tudor verwendete Live-Elektronik, um die Klänge von Akustikinstrumenten in Echtzeit zu modifizieren, was zu einigen der bahnbrechendsten Kompositionen der zeitgenössischen Musik führte.

Eine seiner bekanntesten Interpretationen war die Uraufführung von Cages Variations IV im Jahr 1963. Tudor war hierbei verantwortlich für die Umsetzung des Stückes, das aus einer Reihe von zufällig ausgewählten Klängen bestand, die durch das Manipulieren von Radiosignalen und anderen Geräten erzeugt wurden. Diese Performance zeigte nicht nur Tudors Fähigkeiten im Umgang mit Live-Elektronik, sondern auch seine Fähigkeit, die Klangumgebung zu gestalten und zu beeinflussen.

Tudor brachte seine Fähigkeiten ebenfalls bei der Zusammenarbeit mit Merce Cunningham ein, einem der bedeutendsten Choreografen des 20. Jahrhunderts. Gemeinsam schufen sie zahlreiche Werke, die eine völlig neue Art der Interaktion von Tanz, Musik und Technologie aufwiesen. In vielen Fällen arbeiteten Tudor und Cunningham mit speziell entwickelter Technologie, um eine einzigartige audiovisuelle Erfahrung zu schaffen, die dem Publikum einzigartige Einblicke in kreative Prozesse bot. Zu seinen bedeutendsten Werken zählen Rainforest I (1968), Toneburst (1974), Weatherings (1978), Phonemes (1981), Sextet for Seven (1982), Fragments (1984), Webwork (1987), Five Stone Wind (1988), Virtual Focus (1990), Neural Network Plus (1992) und Soundings: Ocean Diary (1994).

Tudor war jedoch nicht nur ein Pionier auf dem Gebiet der elektronischen Musik und ein Virtuose des Klavierspiels, sondern ebenfalls ein engagierter Lehrer und förderte die Entwicklung junger Talente auf der ganzen Welt. Er unterrichtete am Bennington College, am Mills College und am California Institute of the Arts und veranstaltete zahlreiche Workshops und Seminare.

David Tudor starb am 13. August 1996 in Tomkins Cove, New York, hinterließ ein bleibendes Erbe als Innovator und Pionier der zeitgenössischen Musik. Er hinterließ in seinem Nachlass u.a. mehr als 300 selbstgebaute elektronische Schaltungen, die er über die Jahrzehnte als sein ganz persönliches Instrumentarium entwickelt hatte. Erst vor kurzem wurde dieser Fundus von dem Musikwissenschaftler You Nakai in akribischer Archivarbeit durchforstet und damit die Art und Weise, wie Tudor Elektronik musikalisch einsetzte, für die Welt verständlicher. Tudors Arbeit auf dem Gebiet der Live-Elektronik, insbesondere in Verbindung mit der Interpretation der Werke John Cages, hat die Grenzen dessen erweitert, was in der Musik möglich ist, und bis heute einen enormen Einfluss auf die weitere Entwicklung elektronischer und experimenteller Musik in den folgenden Jahrzehnten.

Weitere Informationen: https://davidtudor.org/.

Christoph Kellermann