Eine Outline zur Performance von RaveForest

Mit RaveForest wird der Klassiker Rainforest des legendären Experimentalmusikers David Tudor ins Jahr 2023 geholt. Am Ende des Uni-Projekts steht eine Musikinstallation in Verbindung mit Live-Perfomances zwischen experimenteller Musik und Techno-Rave. Was erwartet Besucher*innen in der Schwemme in Halle? Was hat experimentelle Musik mit einem Rave zu tun? Masterstudierende der Musikwissenschaft der Martin-Luther-Universität in Halle erklären, wie sie zu dem ungewöhnlichen Projekt gekommen sind. 

David Tudors Rainforest gilt als eines der Schlüsselwerke in der Entwicklung der experimentellen Musik, mit der Grenzen konventioneller Kunstmusik überschritten werden. Anders als in Tudors Original werden nun nicht nur experimentelle Verfahren der akustischen und elektronischen Klangerzeugung angewendet, sondern auch typische Instrumente und Sounds der elektronischen Tanzmusik. Eine Sammlung modularer Synthesizer bringen den Rave in den Forest. 

Die Raumplanung spielt für RaveForest eine wichtige Rolle. Im Raum verteilt wird es mehrere Modularsynthese-Stationen geben, dazu eine Reihe selbst gebauter Instrumente [mehr dazu im Artikel „Von Subharmonicon bis Ventilator-Zither“] und ein spezielles MIDI-Interface, über das sowohl die Performer:innen als auch das Publikum Klänge steuern kann. Der RaveForest hat zwei Modi: den Modus einer selbstspielenden Musikinstallation und einen Performance-Modus. Über die Zeit der Ausstellung werden im installativen Modus vorher in Workshops aufgenommene Sounds nach bestimmten Regeln abgespielt, die auch das Publikum als Spieler*innen aktiv werden lassen. Besucher*innen bewegen sich durch den Raum, probieren Instrumente selbst aus und greifen in den Klangstrom ein. Durch die Interaktion werden alle selbst Teil der Installation.

In 30-minütigen Performances spielen die Studierenden an den Instrumenten eigene Kompositionen. Sie koordinieren sich mit selbst erstellten, grafischen Spielanweisungen und Timern. Gleichzeitig ist ein spontanes, improvisatives Aneinander-anpassen für die Ausstellung essentiell. 

Die Performance-Gruppe probt

Im Unterschied zu einem klassischen Konzert, etwa einer Orchesteraufführung, gibt es für die Aufführung des RaveForest keine Partitur im Sinne eindeutig notierter Töne und Zusammenklänge einer Komponistin oder eines Komponisten. Trotzdem müssen sich die Performer:innen gut vorbereiten, denn um die grafischen Spielanweisungen in interessanter Weise umzusetzen, müssen sie sowohl ihre Instrumente als auch ihre Mitspieler:innen gut kennen. Während im Orchester der einzelne Part jeder Person zu Hause geprobt werden kann, muss sich die Performance-Gruppe daher zum Proben stets gesammelt treffen. Von der Art, wie ein Instrument gespielt wird, bis zur Interpretation der Spielanweisungen und dem Einbinden synthetischer Klänge muss alles ausprobiert und ausgehandelt werden. Parallel zur Probe findet daher immer ein Lernen und Weiterentwickeln statt.

Ein weiterer Unterschied zum klassischen Orchester ist der*die fehlende Dirigent*in. In experimenteller Musik wäre in dieser Rolle zwar eine Person denkbar, die zentrale Regler an einem Mixer bedient und damit den Gesamtsound formt. In der Regel wird so eine hierarchische Struktur vermieden, so dass jede/r Performer:in selbst für alles verantwortlich ist, was aus ihren Instrumenten erklingt. Abgesehen von dieser Tendenz existieren für die Aufführung experimenteller Musik kaum festgeschriebenen Konventionen. Auch die Besucher:innen sind oft in Bezug auf ihre Aufgabe, das Zuhören, viel freier. Sie können sich in vielen Fällen frei im Raum bewegen, Instrumente von allen Seiten und Perspektiven anschauen und bei installativen Anordnungen sogar anfassen. 

Insbesondere in ihrem Verständnis von Räumlichkeit deckt sich die experimentelle Musik mit dem Rave. Dort gilt es, den Clubraum zu durchbrechen und ein neues Gesamterlebnis zu erschaffen. Der Rave hat damit einen Paradigmenwechsel eingeleitet, dass Musik weniger von DJs als fertiges Werk präsentiert, sondern durch die tanzende Menge konstituiert wird. Für die Klanginstallation von Tudor ist eine solche Art der Interaktion ebenfalls zentral, auch wenn hier selten getanzt wird. Sie soll weder Anfang, noch Ende haben, denn es handelt sich weniger um ein musikalisches Werk mit definierter Dauer denn um einen Prozess, der sich auch dadurch auszeichnet, dass Besucher*innen hindurchlaufen und sie damit erst vervollständigen.

Sina Albrecht