Resonanz, lat. resonare – widerhallen, widerschallen
Weltbeziehungen durch Resonanz
Wir befinden uns in permanenter Resonanz – mit uns selbst, unseren Mitmenschen, unserer Umwelt. Resonanzbeziehungen bilden die Grundlage für Weltbeziehungen, so Hartmut Rosa: Unser Handeln, Denken, Verstehen, Lernen und Kommunizieren entwickle sich aus Antwortbeziehungen zwischen Gehirn, Geist, Körper und Welt.
Die neuronale Basis dafür: Spiegelneuronen. Sie sorgen dafür, dass bei der bloßen Beobachtung einer Handlung ähnliche Vorgänge in unseren Gehirnen ablaufen, wie wenn wir die Handlung selbst ausführen würden. Es scheint eine neuronale Spiegelung der beobachteten Motorik von anderen stattzufinden. Auch (emotionale) Zustände und Reaktionen scheinen sich zu spiegeln. So stecke beispielsweise ein Lächeln oder ein Gähnen häufig an. Wir befinden uns also in einem permanenten Wechselspiel aus Aktion und Reaktion – Frage und Antwort.
Physische Schwingungen
Das, was wir hören, ist nichts anderes als eine Bewegung: die Bewegung von Luftmolekülen. Durch diese Luftbewegungen entstehen Schallwellen, die wir als ein Geräusch wahrnehmen. Die Wellen berühren unser Trommelfell, dringen in unseren Körper und vermögen es sogar, ihn in Schwingung zu versetzen. Deutlich spürbar wird dies zum Beispiel, wenn sich die Druckwellen eines hoch gedrehten Basses auf den gesamten Körper übertragen – eine physische Resonanzwirkung der Musik auf den Organismus. Die Bewegung der Luftmoleküle hallt in unserem Körper wider, sie bringt unseren Körper zum Schwingen. Hören ist schon auf physikalischer Ebene von Materie und Kräften ein Resonanzphänomen. Doch es ist noch mehr.
Digitale Medien als Resonanzraum
Hartmut Rosa postuliert, dass digitale Medien dazu dienen, mit anderen in Kontakt zu treten, um unsere Weltbeziehungen zu sichern. Medien seien prädestiniert, in Resonanz zu gehen. Bekommen wir keine Antworten oder bleiben erhoffte Resonanzsignale aus, würden wir uns jedoch oft vergessen fühlen. Trotz der den Medien inhärenten Resonanzströme fehlt ihm zufolge die Beziehungsqualität in bildschirmvermittelten Weltbeziehungen. Diese könnten aber anders erzeugt werden – durch Musik. Musik spezifiziere Weltbeziehungen; sie ermögliche es, bestimmte Stimmungen zu vermitteln, beispielsweise in Filmen. Auch könnten wir emotionsauslösende Musik als Resonanz auf unsere eigene Gefühlswelt wahrnehmen, sollte unsere Emotion sich in der Musik spiegeln. Je nach Zustand könne die Musik, die wir heute hören, schon morgen andere Emotionen auslösen, stärker oder weniger stark resonieren. Anders als beim Sehen oder Greifen versetzt Musik unseren Körper in Schwingung – die Trennung zwischen dem Selbst und der Umwelt wird Rosa zufolge aufgehoben: Auch wenn die Beziehung immer auch eine emotional und psychisch vermittelte sei, bestehe zwischen menschlichem Körper und dem Gehörten eine direkte physische Beziehung.
Renja-A. Dietze
Literatur:
Hartmut Rosa (2016) Resonanz: eine Soziologie der Weltbeziehung. Suhrkamp.
Holger Schulz (2008) Bewegung Berührung Übertragung. In: Sound Studies: Traditionen – Methoden – Desiderate. transcript.